film

Samstag, 8. August 2009

Il Divo

Italien 2008
R: Paolo Sorrentino
D: Toni Servillo, Anna Bonaiuto, Giulio Bosetti, Flavio Bucci

"In Kriminalromanen wird der Schuldige immer gefunden. Im wirklichen Leben ist das seltener der Fall". (Giulio Andreotti, 1981)

Gegen ihn wirkt Silvio Berlusconi wie ein harmloser Chorknabe: Giulio Andreotti war 25 Mal Minister, sieben Mal italienischer Ministerpräsident, 29 Mal wurde er angeklagt und ebenso oft auch wieder freigesprochen.

ildivoItalien nennt ihn "Il Divo" (den Göttlichen), Giulio, den Buckligen, den Fuchs, die Ewigkeit, den Star, den Mann im Dunkeln, Beelzebub. Im Gegensatz zum lauten Macho Berlusconi ist Andreotti ruhig, unscheinbar und undurchschaubar. Sein Erfolg und seine Macht gründen sich auf Verschwiegenheit und ein umfassendes Archiv über die Achillesfersen der anderen.

Der Film beleuchtet einen Wendepunkt in Andreottis Karriere - nachdem er zum siebenten Mal italienischer Ministerpräsident war, trat er zur Wahl des Staatspräsidenten an, es hätte der Höhepunkt seiner Karriere sein sollen. Doch dann stellte sich die Mafia gegen Andreotti und der Staat begann mit Ermittlungen gegen ihn.

Regisseur Paolo Sorrentino spürt in einem grotesken und skurrilen Politkrimi einer fasznierenden und schwer fassbaren Figur nach und beleuchtet sie von vielen Seiten, dennoch bleibt Andreotti rätselhaft. Toni Servillo verkörpert diesen undurchschaubare Göttlichen perfekt. Wenn er mit schildkrötenartig vorgerecktem Kopf rastlos über den Boden huscht, als würde er mehr schweben als gehen, wirkt er wie ein Vampir. Wenn er spricht, bewegt sich sein Mund kaum, die Augen sind ausdruckslos, er wirkt müde und unbeweglich, was wirklich in ihm vorgeht, lässt sich nur erahnen.

Cineastisch ist „Il Divo“ ein echter Leckerbissen, der bis zur letzten Minute fesselt. Atemberaubende Kamerafahrten und kluge Montage, begleitet von exzellentem Tonschnitt ziehen den Zuschauer sogartig ins Geschehen. Zeitlupenaufnahmen mit klassischer Musik erinnern an John Woo, originell eingesetzte Inserts zur Einführung von Personen legen den Vergleich mit Guy Ritchie nahe. Kameraführung und Schnitt rufen David Finchers beste Momente ins Gedächtnis und Fans von Tarantino werden den skurillen Humor eben so schätzen wie den perfekt gewählten Soundtrack. Die famose schauspielerische Leistung Toni Servillos tut ihr Übriges dazu.

Schade nur, dass es für Nicht-Italiener, die über kein Hintergrundwissen zur Person Andreotti verfügen, sehr schwierig ist, der komplexen Story zu folgen. Zu viele Personen kommen vor, zu viele Fragen bleiben offen. Wichtige Protagonisten werden mittels Inserts vorgestellt, zahlreiche Nebenfiguren aber auch und nach einer Weile kann man sich all die Namen nicht mehr merken.

Dennoch bleibt der Film durch seine Bildgewalt mitreißend und vor allem witzig. Es gibt zahlreiche kuriose Szenen, etwa wenn sich der gefährlichste Mafioso Italiens beim Gefängniswärter ein Mineralwasser bestellt, „aber bitte mit Sprudel“... Wie „Pulp Fiction“ ist „Il Divo“ ein Meisterwerk, das vielleicht beim ersten Sehen einige Fragen offen lässt, doch große Lust darauf macht, ihn mehr als einmal anzuschauen.

8/10

http://www.ildivo-derfilm.de

Wikipedia-Eintrag zu Andreotti

Donnerstag, 25. Juni 2009

Berlin Calling

Deutschland 2008
R: Hannes Stöhr
D: Paul Kalkbrenner, Rita Lengyel, Corinna Harfouch, Araba Walton

Das Leben des Berliner Star-DJs Ickarus ist eine einzige fette Party mit einem Übermaß an Drogen, Frauen und Musik – bis er eines Tages in der Psychiatrie aufwacht...

berlincalling

Mit seiner Freundin und Managerin Mathilde (Rita Lenye) jettet der Techno-DJ Ickarus alias Martin (Paul Kalkbrenner, selbst DJ und für den Soundtrack verantwortlich) von Gig zu Gig. Berlin – Amsterdam – Lyon – Berlin, vom Flughafen zum Open Air, Flughafen, Club, Flughafen…. Die Arbeit am lange erwarteten neuen Album geht nur schleppend voran, denn wenn er nicht gerade selbst auflegt, zieht Icka ebenfalls von Party zu Party und lässt es krachen.

Dabei konsumiert er alles, was das Betäubungsmittelgesetz verboten hat, in rauen Mengen und am besten gleichzeitig. Bis ihm eine „schlechte Pille“ einen wahren Albtraumtrip beschwert und er in einer psychiatrischen Klinik landet. Diagnose: drogeninduzierte Psychose.

Ickarus braucht mehrere Anläufe um zu kapieren, dass er tatsächlich ein Suchtproblem hat. Er droht alles zu verlieren, seine Freundin, sein Geld und den Plattenvertrag. Schließlich besinnt er sich auf das wichtigste in seinem Leben, das was ihm Kraft und Halt gibt: seine Musik.

Als ZuschauerIn sollte man schon etwas für elektronische Musik übrig haben, denn in erster Linie ist „Berlin Calling“ ein klassisches Musikerdrama, das vor allem vom Soundtrack lebt. Man sieht Ickarus primär beim Auflegen und Tanzen, mit iPod am Weg durch Berlin oder beim Produzieren. Sein Leben ist Musik und die rockt und groovt, was das Zeug hält. Wer mit Techno „bumm bumm nzg nzg“ assoziert, wird überrascht sein, wie viel Emotion diese Musik vermitteln kann.

Das Kino beschäftigte sich schon immer gerne mit Musikern. Es gibt Biopics über Jim Morrison, Ray Charles, Elvis, Kurt Cobain und Johnny Cash - allesamt tragische Figuren, genial in ihrer Kunst, schwierig in ihren Beziehungen und immer auch mit einem Hang zur Drogensucht. Und obwohl sich einige Filme mit Jazz, Rock und HipHop auseinandersetzen, ist Techno eine Popkultur, mit der sich das Kino bisher kaum beschäftigt hat.

Das gelingt Hannes Stöhr höchst authentisch und unpeinlich, auch wenn er eine fiktive Story erzählt. Er fängt das Clubfeeling ebenso gut nachvollziehbar ein wie das Lebensgefühl im heutigen Berlin. Die Besetzung ist klug gewählt, gedreht wurde an Originalschauplätzen, in Clubs, auf Festivals und in einem echten Krankenhaus.

„Berlin Calling“ ist kein lustiger Film über Drogen, eher zeigt er sehr realistisch, aber ohne erhobenen Zeigefinger, wie schief es gehen kann, wenn man zu viel feiert. Dass Kalkbrenner selbst DJ und Produzent ist, verleiht seinem Spiel Authentizität und Credibility. Nur spricht er in manchen Szenen leider sehr undeutlich, da hätte etwas Schauspielunterricht nicht geschadet. Komponieren kann er auf jeden Fall besser.
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Unbedingt auch den Soundtrack checken!

7/10

http://www.berlin-calling.de

Mittwoch, 27. Mai 2009

Rachels Hochzeit (Rachel Getting Married)

USA 2008
R: Jonathan Demme
D: Anne Hathaway, Rosemarie DeWitt, Anisa George, Bill Irwin

Nach neun Monaten darf die drogensüchtige Kym erstmals die Entzugsklinik verlassen, um zur Hochzeit ihrer älteren Schwester Rachel nach Hause zurück zu kehren.

rachel_getting_marriedDie Hochzeitsfeier findet auf dem Grundstück von Kyms Vater (Bill Irwin) statt, das Haus ist voller Menschen, alle sind aufgeregt und angespannt. Kym (Anne Hathaway), kettenrauchend und ständig schwarz gekleidet, fühlt sich nicht zugehörig zur fröhlichen, bunten Hochzeitsgesellschaft. Wie ein Fremdkörper bricht sie in eine scheinbar heile Welt ein und reißt alte Wunden auf.

Die Situation ist angespannt, Kym fühlt sich ständig beobachtet, sie hat den Eindruck, dass man ihr vergangene Fehler ohnehin nicht verzeiht, egal wie sehr sie sich bemüht. Sie denkt, alle würden nur darauf warten, dass sie etwas anstellt, also geht sie erst recht auf Konfrontationskurs. Anne Hathaway legt in dieser Rolle eine beachtliche Leistung ab. Das nette Mädchen aus "Plötzlich Prinzessin" ist zur überzeugenden Charakterdarstellerin gereift. Dafür gab es auch eine Oscar-Nominierung.

Kyms Vater und ihre Schwester Rachel (Rosemarie DeWitt) sind hin- und hergerissen zwischen der Freude, Kym wieder bei sich zu haben und der Sorge um das Problemkind, zwischen der Aufregung rund um die Hochzeit und lange aufgestauten negativen Gefühlen. Rachel ist gereizt, weil sich wie immer alles um ihre Schwester dreht, wenigstens einmal möchte sie im Mittelpunkt stehen, schließlich ist sie die Braut.

Jonathan Demme, Regisseur von "Das Schweigen der Lämmer" und "Philadelphia", gelingt ein eindrucksvolles Porträt einer dysfunktionalen Familie, in der es viele Schwierigkeiten, aber auch sehr viel Liebe gibt. Eine wackelige Handkamera vermittelt Homevideo-Feeling, der Zuschauer fühlt sich ins Geschehen hineinversetzt, als wäre er ebenfalls ein Gast auf der Hochzeit. Dadurch wirken Momente der Konfrontation noch sehr viel stärker, es entstehen aber auch Längen.

Das Familienfest, bei dem sich letztendlich alle hemmungslos streiten anstatt in Harmonie zu feiern, ist ein beliebtes Motiv im Kino, von "Das Fest" bis "Pieces of April" oder "Der Eissturm". Durch die Anspannung, ein schönes Fest feiern zu wollen, brechen lange schwelende Konflikte erst recht aus und es fliegen die Fetzen. Das ist Kino, das ans Eingemachte geht: Wer sich nicht an ähnliche Situationen mit der eigenen Familie erinnert fühlt, kann sich glücklich schätzen.

7/10

>> Rachels Hochzeit
>> Familienfeste am Rande des Nervenzusammenbruchs: Best Thanksgiving Movies, sehr sehenswert ist auch "No Panic" mit Denis Leary und Kevin Spacey (spielt zu Weihnachten) - tja, und nicht zu vergessen: "Muttertag"!

Die Herzogin (The Duchess)

USA 2008
R: Saul Dibb
D: Keira Knightley, Ralph Fiennes, Dominic Cooper, Hayley Atwell, Charlotte Rampling

herzogin
Die Herzogin von Devonshire bezauberte mit ihrem Charme ganz London, war Fashion-Ikone und politische Aktivistin. Nur ihr Mann hatte leider nicht das geringste Interesse an ihr...

Georgiana Spencer (Keira Knightley), eine Vorfahrin von Lady Di, ist noch keine 18, als sie mit dem sehr viel älteren Herzog von Devonshire (Ralph Fiennes) verheiratet wird. Schon bald stellt sie fest, dass ihr Mann ein notorischer Schürzenjäger ist, der sie bloß als Gebärmaschine sieht, die ihm einen männlichen Erben schenken soll. Abgesehen davon ist sie ihm völlig egal.

Jahre später ist Georgiana Mutter von zwei Töchtern und der strahlende Mittelpunkt der Londoner Gesellschaft des 18. Jahrhunderts. Sie wird zur Stilikone, ihre Schönheit und ihr mädchenhafter Charme bezaubern Adelige, Politiker und Volk gleichermaßen - nur den Herzog nicht. Für ihn hat sie versagt, weil sie keinen Sohn geboren hat. Als er eine Affäre mit Georgianas bester Freundin beginnt, die sogar mit ihren Söhnen ins Schloss einzieht, hat "G." endgültig genug.

Sie sieht keinen Grund mehr, ihre Gefühle für den aufstrebenden jungen Politiker Charles Gray (Dominic Cooper) länger zurück zu halten. Georgiana weiß, dass sie mehr verdient als die lieblose Ehe mit dem eiskalten Herzog. Sie ist lebenslustig, romantisch, ein Freigeist, der sich für revolutionäre Ideen einsetzt. Dennoch scheitert sie an den Konventionen ihrer Zeit, wo Frauen für Männer nicht mehr waren als Besitz und vor dem Gesetz so gut wie keine Rechte hatten.

Ralph Fiennes gibt einen fantastischen Fiesling ab, als gefühlskalter Herzog erinnert er an seine Rolle als KZ-Aufseher in "Schindlers Liste". Keira Knightley liebt und leidet höchst überzeugend, so dass man sogar zwischendurch darauf vergisst, dass man sie eigentlich mit Cremetörtchen vollstopfen möchte, bis sie endlich ein paar Kilo mehr auf die Rippen bekommt.... Zweifellos gelingt es ihr mit Leichtigkeit, eine Frau zu verkörpern, die durch ihren Charme und ihr Aussehen alle in ihren Bann zieht - es wäre allerdings langsam spannend, sie endlich einmal in einer anderen Rolle zu sehen als der des süßen Mädchens.

Der Film beruht auf einer wahren Geschichte, als Vorlage diente die Biographie "Die Herzogin von Devonshire" von Amanda Foreman. Fans edler Kostümfilme kommen voll auf ihre Kosten, schwindelerregend hohe Perücken, opulente Ausstattung und glamouröse, aufwändige Roben (Kostüm-Oscar) lassen das Herz aller Romantiker mit Faible für Historiendramen vor Freude hüpfen. In jedem Fall geht man als Frau gestärkt aus dem Kino, heilfroh, dass man im 21. Jahrhundert lebt, nicht völlig männlicher Willkür ausgeliefert und wahlberechtigt.

6/10

Die Herzogin
historische Figur Georgiana Cavendish, Duchess of Devonshire
Buchvorlage

Montag, 20. April 2009

Slumdog Millionaire

GB, USA, Indien 2008/ R: Danny Boyle/ D: Dev Patel, Freida Pinto, Anil Kapoor, Madhur Mittal, Ayush Mahesh Khedeker, Rubina Ali, Azharuddin Mohammed Ismail, Irrfan Khan

Jamal Malik steht als Kandidat in der indischen Millionenshow vor der letzten Frage. Hat der Junge aus den Slums bloß Glück oder betrügt er?


Der Moderator von "Wer wird Millionär?", Prem Kumar (Anil Kapoor - so unsympathisch und arrogant, dass man Armin Assinger wirklich schätzen lernt), ist überzeugt, dass Jamals Erfolg nicht mit rechten Dingen zugeht. Wie sonst kann ein mittelloser Chai Walla, der im Call Center Tee serviert, die Antworten auf alle Fragen kennen?

Nur noch eine Frage trennt Jamal (Dev Patel) vom Hauptgewinn mit 20 Millionen Rupien. In der Nacht vor der Show lässt ihn Kumar von korrupten Polizisten kidnappen und foltern. So erzählt er Jamal seine abenteuerliche Lebensgeschichte. Es scheint Schicksal zu sein, jede einzelne Frage steht im unmittelbaren Zusammenhang mit einer Begebenheit aus Jamals Leben. Die Story wird clever umgesetzt, zu jeder Frage erklärt der Film in Rückblenden, warum Jamal die Antwort kennt.

Jamal wächst mit seinem Bruder Salim (Azharuddin Mohammed Ismail/Madhur Mittal) als Waise in den Slums von Mumbai auf und muss früh lernen, sich durchzuschlagen. Seit ihrer Kindheit sind die Brüder mit Latika (Rubina Ali/Freida Pinto) befreundet, doch ihre Wege trennen sich auf dramatische Weise. Nun wird Latika, von einem Gangster, für den auch Salim arbeitet, festgehalten. Jamal ist einzig und allein deswegen in der Show, um seine große Liebe wieder zu finden.

Das ist er also, der angeblich beste Film des Jahres, der in den letzten Monaten jeden wichtigen Filmpreis abgeräumt hat. Dass gerade die Geschichte vom Bettler als Millionär weltweit Kritiker wie Zuschauer überzeugt, ist wohl auch symptomatisch für die Wirtschaftskrise: Wir sehnen uns nach dem Happy End, wir wünschen dem Helden, der schon so viel durchmachen musste, dass er das Geld und die wunderschöne Frau bekommt.

So sollte man den Film als das annehmen, was er ist: ein romantisches Märchen mit wohl dosiertem Humor, mehr Lausbubenstory als Sozial-Drama. Auch wenn sich Danny Boyle, Regisseur von „Trainspotting“, „The Beach“ und „28 Days Later“ inhaltlich in eine neue Richtung wagt, trägt der Film eindeutig seine Handschrift: rasante Kameraführung, geschickte Montage und ein perfekt gewählter Soundtrack (u.a. M.I.A.).

Obwohl vieles an Bollywood-Movies erinnert - bunte Bilder, Herzschmerz, bis zum Happy End mit Tanzeinlage – wirft Boyle auch einen Blick auf die hässlichen Seiten Indiens. Damit kratzt er aber allenfalls an der Oberfläche und zeigt nur so viel Dreck, Gewalt und Elend wie es gerade noch erträglich ist.

Wer einen realistischeren Blick auf das Leben in den Slums nicht scheut, dem sei Fernando Mereilles "City of God" ans Herz gelegt, das sich mit einer ähnlichen Story beschäftigt, aber ohne jede Aussicht auf einen wundersamen Ausweg aus der Spirale von Armut und Gewalt.

"City of God" ist brutal, schockierend und trifft den Zuschauer wie ein Schlag in den Magen. Und manchmal will man eben nicht aus dem Kino gehen und sich denken, „die Welt ist schlecht“, manchmal möchte man einfach nur unterhalten werden, ein Lächeln und etwas Hoffnung mitnehmen - dazu eignet sich „Slumdog Millionär“ bestens.

7/10
http://www.slumdog-millionaer.de

Dienstag, 14. April 2009

contact high

einer der witzigsten österreichischen filme der letzten jahre - und zwar wirklich witzig, nicht wie die kabarett-filme von harald sicheritz - war "nacktschnecken" von michael glawogger. der ist eigentlich für hochkarätige dokus wie "mega cities" bekannt und wagte sich ins komödienfach vor, indem er sich gemeinsam mit den schauspielern des grazer "theater im bahnhof" dem thema pornografie auf höchst ungewöhnliche und amüsante weise annäherte.

nun gibt es davon so etwas wie eine fortsetzung. also eigentlich hat "contact high" mit "nacktschnecken" inhaltlich nicht viel zu tun, außer dass die gleichen figuren vorkommen und von den gleichen schauspielern gespielt werden. statt um sex geht es nun um drogen. die trailer versprechen jedenfalls, dass es noch schräger und witziger zugeht als bei "nacktschnecken". schon allein wegen georg friedrich als total cholerischem dealer schorsch in einer nebenrolle sollte man unbedingt ins kino gehen.

im cinema paradiso in st. pölten findet am 15.4. die premiere statt, regisseur michael glawogger und hauptdarsteller raimund wallisch sind zu gast.

Samstag, 4. April 2009

Der Knochenmann

Österreich 2008
R: Wolfgang Murnberger
B: Wolf Haas, Josef Hader, Wolfgang Murnberger
D: Josef Hader, Simon Schwarz, Birgit Minichmayr, Josef Bierbichler, Christoph Luser, Pia Herzegger

Jetzt ist es schon wieder passiert. Der Brenner stolpert ganz zufällig in einen Kriminalfall: Dabei wär' gar nichts geschehen ohne die Liebe.

Berti (Simon Schwarz), der für eine Leasing-Firma arbeitet, schickt seinen Freund Brenner (Idealbesetzung Josef Hader) in die Provinz, um Schulden einzutreiben. In den steirischen Bergen soll sich ein gewisser Herr Horvath in der Backhendlstation Löschenkohl aufhalten. Doch dort will niemand einen Herrn Horvarth kennen. Der Wirt (Josef Bierbichler) und die Angestellten scheinen ganz offensichtlich etwas zu verbergen.

Also quartiert sich Brenner voerst in dem Gasthaus ein, um den Verschwundenen zu finden. Der Juniorchef (Christoph Luser) bietet Brenner ebenfalls einen Auftrag an: Brenner soll herausfinden, warum der Alt-Wirt plötzlich große Mengen Geld vom Firmenkonto abgehoben hat. Irgendetwas stimmt hier offensichtlich nicht und nachts treibt die Knochenmehlmaschine im Keller Brenner mit ihrem Lärm in den Wahnsinn. Menschen verschwinden, "Unfälle" geschehen und Brenner findet einen menschlichen Finger - scheinbar wird im Keller nicht nur Hendlfleisch verarbeitet.

Wie immer ist Brenner relativ lethargisch, grantelt vor sich hin ("I mog kane Hendln!") und rutscht ganz unfreiwillig in haarsträubende und gefährliche Situationen. Denn eigentlich ist ihm die Aufklärung der offenen Fragen eh relativ wurscht. Trotzdem bleibt er im Gasthaus einfach irgendwie picken. Das liegt vor allem daran, dass er sich in die Küchenchefin (großartig: Birgit Minichmayr) verliebt.

Im Kino sind Fortsetzungen ja fast immer enttäuschend, nicht so bei Wolfgang Murnbergers Verfilmungen von Wolf Haas' Romanen. Nach "Komm süßer Tod" und "Silentium" ist "Der Knochenmann" mit Abstand der genialste Wurf des Dreamteams Murnberger-Haas-Hader, die immer gemeinsam an den Drehbüchern arbeiten. Der Humor ist tiefschwarz, sehr lakonisch und zynisch - typisch österreichisch eben.

Hader passt einfach perfekt in die Rolle des verbitterten und abgewrackten Detektivs Brenner und auch der Rest der Besetzung ist hervorragend, vor allem Minichmayr und Bierbichler. Für atmosphärisch-düsteren Soundtrack sorgen erneut die Sofa Surfers. Alles in allem ist "Der Knochenmann" schon jetzt ein Anwärter für den besten Film des Jahres. Zart Besaitete seien aber gewarnt, es geht ganz schön grausig zu und möglicherweise will man nachher nie wieder Hendl essen...

10/10

http://www.derknochenmann.at

Freitag, 3. April 2009

Der Vorleser

USA/Deutschland 2008
R: Stephen Daldry
D: Kate Winslet, David Kross, Ralph Fiennes, Bruno Ganz

Der Schüler Michael wird von einer älteren Frau verführt und dazu gebracht, ihr aus Büchern vorzulesen. Er ahnt nicht, welche Geheimnisse auf der wortkargen Hanna lasten.

Deutschland 1958 - Auf dem Schulweg wird dem 15-jährigen Michael (David Kross) schlecht, die Straßenbahnschaffnerin Hanna Schmitz (Kate Winslet) kümmert sich um ihn und bringt ihn nach Hause. Als er sie später besucht um sich zu bedanken, verführt Hanna den Schüler, der nur halb so alt ist wie sie. Die beiden beginnen eine leidenschaftliche Affäre.

Michael ist fasziniert von der älteren Frau und verliebt sich in sie, doch Hanna hält ihn auf Distanz. Sie scheint ganz gierig auf Literatur zu sein und es wird zur Gewohnheit, dass ihr Michael vor dem Sex aus Büchern vorliest. Einen Sommer lang dreht sich das Leben für Michael nur noch um Hanna, er vernachlässigt seine Familie und Freunde. Doch von einem Tag auf den anderen verschwindet Hanna spurlos, ohne jede Nachricht.

Acht Jahre später studiert Michael Jura in Berlin. Im Rahmen eines Seminars beobachtet er einen Prozess gegen fünf ehemalige Wärterinnen des KZ Auschwitz, die für den Tod von 300 Menschen verantwortlich sein sollen. Michael ist zutiefst erschüttert, Hanna auf der Anklagebank zu sehen. Sie wirkt völlig gefühllos und ist der Meinung, sie habe nur ihre Pflicht getan. Schließlich erzählt eine Zeugin, Hanna habe KZ-Insassinnen dazu gezwungen, ihr vorzulesen.

Michael ist fassungslos und ihm wird klar, warum Hanna so distanziert wirkt und scheinbar emotionslos die Hauptschuld auf sich nimmt: sie kann nicht lesen. Und das ist ihr so peinlich, dass sie lieber die Höchststrafe riskiert. Nur er könnte Hanna entlasten. Hin- und hergerissen zwischen Abscheu und der Liebe, die er einst empfand, muss er eine Entscheidung treffen.

Im Gegensatz zu vielen anderen US-Filmen, die sich mit dem Holocaust befassen, liefert "Der Vorleser" keine eindimensionale schwarz-weiß-Zuschreibung von gut und böse. Auch Täter können in anderen Zusammenhängen Opfer sein, was nicht heißen muss, dass das ihre Verbrechen rechtfertigt. Hannah nutzte eine Machtposition für ihre Zwecke aus - auf der anderen Seite haben aber auch andere Macht über sie, weil sie Analphabetin ist. Dass Hanna jedes Unrechtsbewusstsein zu fehen scheint, weil sie "nur ihre Pflicht getan" hat, jagt einem kalte Schauer über den Rücken.

Die Romanvorlage von Bernhard Schlink sorgte ebenso für Kontroversen wie der Film, schließlich greift er gleich mehrere heikle Themen auf: Verführung Minderjähriger, Analphabetismus, Holocaust, Vergangenheitsbewältigung. "Der Vorleser" wühlt auf. Genauso wie Michael verspürt man gleichzeitig Mitleid mit Hanna und Ekel vor ihren Taten und ihrer Haltung.

Eines steht jedoch außer Frage: Kate Winslet, die für die Rolle der Hanna völlig zu Recht mit Preisen überhäuft wurde (Golden Globe, Oscar, BAFTA) spielt mit einer unglaublichen Intensität, die an die Nieren geht. Sie schafft es, in einem einzigen Gesichtsausdruck zu vermitteln, wofür manch andere einen viertelstündigen Monolog bräuchten. Aber auch David Kross liefert eine beeindruckende Leistung - im deutschen Kino auf alle Fälle jemand, den man sich merken sollte. Abgesehen davon, dass er selbst neben einem Kaliber wie Bruno Ganz glänzt, macht er auch nackt gute Figur...

6/10

http://www.dervorleser-film.de

Donnerstag, 5. März 2009

The Wrestler

USA 2008
R: Darren Aronofsky
D: Mickey Rourke, Marisa Tomei, Evan Rachel Wood

Es ist das Comeback des Jahres: mit einem schauspielerischen und physischen Kraftakt katapultiert sich Mickey Rourke in Hollywoods A-Liga zurück.

Randy "The Ram" Robinson (Mickey Rourke) ist ein alternder Profi-Wrestler, der nach wie vor in den Ring steigt, obwohl ihn sein Körper immer öfter in die Schranken weist. Randys größten Erfolge liegen 20 Jahre zurück, ein Umstand, den Mickey Rourke mit der Figur gemeinsam hat.

Nach "Angel Heart" und "9 1/2 Wochen" war Rourke in den 80ern ein gefragter Star. Dann folgten Alkohol- und Drogenexzesse, er galt als schwierig, aggressiv und gewalttätig. Nach einigen Flops spielte er allenfalls in C-Movies mit. Regisseur Darren Aronofsky ("Requiem for a Dream") ist es gelungen, Hollywoods Widerpenstigsten zu zähmen. Dieser legte 20 kg Muskelmasse zu, spielt buchstäblich um sein Leben und liefert ein fulminantes Comeback. Totgesagte leben eben doch länger.

Filmisch bemüht sich Aronofsky um größtmöglichen Realismus, grobkörnige Bilder vermitteln einen dokumentarischen Stil. Eine wackelige Handkamera ist meist ganz nah dran an Randy und zeigt in schonungslosen Großaufnahmen eine geschundene Seele in einem ebenso arg mitgenommenen Körper. Randy ist mit Narben übersäht, leidet an Rückenschmerzen, benötigt ein Hörgerät und schluckt unzählige Medikamente und Hormone, um noch halbwegs fit zu bleiben.

Mickey Rourke ist die Idealbesetzung für dieses emotionale und körperliche Wrack. Alkohol- und Drogenmissbrauch, eine kurze Karriere als Profiboxer, eine Menge Botox und zu viele kosmetische Operationen an seinem Gesicht haben unübersehbare Spuren hinterlassen. Obwohl Rourkes Gesicht maskenhaft und aufgedunsen wirkt, gelingt es ihm, die Figur glaubwürdig und gefühlvoll darzustellen.

Im Ring ist Randy ein Held, geschätzt von Kollegen und umjubelt von treuen Fans. Aber in der realen Welt ist er ein Versager, der für ein paar Dollar in schäbigen Turnhallen auftritt und zusätzlich im Supermarkt schuftet, um sich mehr schlecht als recht über Wasser zu halten. Er lebt in einem Trailerpark, leidet ständig unter Schmerzen und seine Tochter (Rachel Evan Wood) will nichts von ihm wissen.

Nach einem Herzinfarkt versucht Randy sein Leben zu ändern. Er möchte sich zur Ruhe setzen, nähert sich seiner Tochter langsam wieder an und verliebt sich in die Stripperin Pam (Marisa Tomei), die ihn aber auf Distanz hält. Beide sind sie am Rande der Gesellschaft gestrandet und kämpfen mühsam um etwas Würde, sind sie doch auf wenig respektable Jobs angewiesen, für die sie langsam zu alt werden.

„The Wrestler“ ist eine Millieustudie zum Amerika der "working poor", die sich auch mit mehreren Jobs kaum über Wasser halten können und zeichnet ein realistisches Porträt der Wrestling-Szene, ohne sich über diese lustig zu machen. Vor allem aber ist der Film ein klassisches Melodram mit relativ simpler Story, die jedoch durch die klare, unmittelbare Bildsprache und die herausragenden Leistungen von Mickey Rourke und Marisa Tomei tief unter die Haut geht.

7/10

http://www.foxsearchlight.com/thewrestler/

Mittwoch, 18. Februar 2009

Frost/Nixon

USA 2008
R: Ron Howard
D: Frank Langella, Michael Sheen, Kevin Bacon, Oliver Platt, Sam Rockwell, Rebecca Hall

Das TV-Duell zwischen Talkshowmaster David Frost und Ex-US-Präsident Richard Nixon: eine Sternstunde der TV-Geschichte, hochspannend inszeniert von Ron Howard.

Bevor George W. Bush auftauchte, galt Richard Nixon als unbeliebtester und umstrittenster US-Präsident der Geschichte. Während seiner Amtszeit spaltete der Vietnamkrieg die Nation, berühmt berüchtigt wurde Nixon aber vor allem durch einen beispiellosen Fall von Amtsmissbrauch, die Watergate-Affäre.

Um einer Amtsenthebung zu entgehen, war Nixon 1974 gezwungen zurück zu treten. Während einige seiner Mitarbeiter der Verschwörung und der Behinderung der Justiz für schuldig befunden und verurteilt wurden, wurde Nixon von seinem Nachfolger Gerald Ford begnadigt und musste sich nie für seine Verbrechen verantworten.

Der britische Talkshowmaster David Frost (Martin Sheen), in der TV-Branche eher für leichte Unterhaltung bekannt, setzt sich in den Kopf, Nixon (Frank Langella) zu interviewen und zu einem Schuldeingeständnis zu bewegen. Frost möchte mit dem Interview zurück ins Rampenlicht, nachdem seine Show in New York abgesetzt wurde. Nixon hingegen sieht die Chance, sich zu rehabilitieren und wieder ins Zentrum der Macht vorzurücken. Zunächst zeigen die TV-Sender jedoch kein Interesse an dem Projekt und Frost verschuldet sich bis über beide Ohren für die Produktion, dennoch gibt er nicht auf.

Der Film basiert auf Peter Morgans gleichnamigen Theaterstück (ebenfalls mit Sheen und Langella in den Hauptrollen) und ist sehr dialoglastig, im Mittelpunkt steht das TV-Duell. Wie zwei Boxer umschwirren Frost und Nixon einander, behandeln sich sehr respektvoll, doch unterschätzt man einander zunächst. Nixon landet erste harte Treffer, aber wer am Ende k.o. gehen wird, bleibt spannend bis zum Schluss. Nur so viel sei verraten: die finale Folge der vier TV-Interviews sahen 45 Millionen Amerikaner, bis heute die höchste Einschaltquote für ein politisches Programm.

"Frost/Nixon" ist ein imposantes Kammerspiel über die Rolle der Medien in der Politik, über Machtmissbrauch und Gerechtigkeit. Allerdings werden Eckdaten zum doch sehr komplexen Watergate-Skandal nur kurz behandelt, was für Verwirrung sorgen kann. Für ein europäisches Publikum setzt der Film möglicherweise zu viel Vorwissen voraus. Eines ist jedoch unbestritten: nie wurde "Tricky Dick" eindrucksvoller und vielschichtiger verkörpert als durch Frank Langella.

8/10


Frost/Nixon

Hintergrundinfos zu Watergate

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